„Unerforscht“, „unbenannt“ und „unbestiegen“ sind Prädikate, die Abenteurer und Bergsteiger aufhorchen lassen und die in den Bergen des nördlichen Patagoniens noch oft zu finden sind. Klimaforschung und Entdeckertum, die Symbiose aus Abenteuerdrang, Entdeckertum und Wissenschaft, wie es sie in der Vergangenheit gab, ist aus der Mode gekommen. Der technische und logistische Aufwand, dem sich heutige Forschungsprojekte meist bedienen müssen, steht im Gegensatz zur minimalistischen und nachhaltigen Herangehensweise, mit der moderne Abenteurer ihre Unternehmungen planen. So auch der Profi-Bergsteiger Robert Jasper und sein Seilpartner Jörn Heller. Mit minimalem logistischem Aufwand waren sie auf Expeditionen im Nördlichen Patagonischen Eisfeld unterwegs, um unbekannte Gipfel zu besteigen. Die Messergebnisse aus diesen Gebieten sind für Wissenschaftler besonders wertvoll, da sie sehr schwer zugänglich sind! Gefilmt wurde das Abenteuer von einem Kamerateam der Produktionsfirma Drehxtrem für die Fernsehproduktion des ZDF-Planet, wo der Beitrag in der Mediathek zu sehen ist. Seither ist Robert Jasper begeistert von der wilden Schönheit Nordpatagoniens mit einem großen Potenzial an neuen Klettermöglichkeiten.
Ende Januar startete Robert Jasper mit seinem spanischen Kletterpartner Marc Bordas-Garcia zu einer weiteren Expedition. Im patagonischen Spätsommer hofften die beiden Bergsteiger auf günstige klimatische Verhältnisse. Jasper und Bordas-Garcia wurden im kleinen Bergsteigerort Cerro Villa Castillo von ihren lokalen Bergführerfreunden herzlich empfangen. Es wurde von einem sehr schlechten Sommer und anhaltend schlechter Wetterprognosen berichtet. Trotzdem entschieden sich die beiden Bergsteiger, zum Cerro Colorado aufzubrechen, der am Rande der Pampa liegt und dem Hielo Continental vorgelagert ist und deshalb meistens etwas bessere Wetterbedingungen hat. Mit Hilfe eines lokalen Gauchos, Alfredo Donoso, und seiner Pferde wurde die Ausrüstung ins Basislager transportiert. Die folgenden zwei Wochen waren durch wechselhaftes Wetter mit Sturm, Schneefall und sinnflutartigem Regen geprägt. Es boten sich aber auch immer wieder kurze Schönwetterfenster, die das Klettern ermöglichten.
Llamada del Cóndor
Jasper und Bordas-Garcia eröffneten an der „La Proa“, dem „Bug“ des Cerro Colorado, einer 200 Meter hohen senkrechten Wand aus Basaltsäulen, die sehr futuristisch in die Höhe ragen, „Llamada del Cóndor“, „Der Ruf des Condors“, 7b+. Die Seillängen wurden im Trad-Stil, ohne Bohrhaken, von beiden Kletterern rotpunkt geklettert. Zum besseren Abseilen wurden an den Standplätzen Bohrhaken gesetzt. Der Cerro Colorado ist dem Wind und Wetter sehr ausgesetzt und daher von unterschiedlicher Gesteinsqualität. Die Absicherung ist in den meisten Routen mit mobilen Sicherungsmitteln wie Klemmkeilen und Friends selbst zu bewerkstelligen. Steigt man auf den Gipfel, ist das landschaftlich einmalig, verlangt aber große Vorsicht, da gefährlich lose Blöcke überklettert werden müssen. Es war aber trotz allem ein tolles Erlebnis, an diesen fantastischen Basaltsäulen zu klettern, oft umkreist von riesigen Kondoren, die bis zu 3 Meter Flügelspannweite haben. Wir waren uns nicht sicher, was sie dachten – wahrscheinlich hofften sie, dass wir endlich abstürzen würden und ihnen als Futter dienten.
Nach dem erfolgreichen Abenteuer am Cerro Colorado machten sich Jasper und Bordas-Garcia zusammen mit ihrem chilenischen Bergführerfreund Raimundo de Andraca, der gerade die Internationale Bergführerprüfung bestanden hatte, auf in das schwer zugängliche Avellano-Gebiet. Es folgte ein 30 Kilometer langer Fußmarsch durch wilde Täler und eiskalte Flüsse. Das Material konnte die ersten zwei Tage von Gaucho Nelson Troncoso und seinen Pferden transportiert werden, dann wurde alles in den Rucksäcken verteilt und über einen weiteren Pass mit unwegsamen Geröllfeldern erreichten die drei Kletterer das wunderschöne Avellano-Valley. Wild bizarre Granitnadeln ragen hier über grünen Wäldern und blauen Lagunen in den Himmel. Es ist ein fantastisch schöner Ort. Leider lässt das patagonische Wetter meist nur an einer Handvoll Tagen im Monat einen Blick auf diese Gipfel zu. Das vom Wetterbericht prognostizierte vier Tage Schönwetterfenster schrumpfte immer weiter zusammen, sodass bei einsetzendem starkem Wind nur noch der Cerro Quadrato über den Südwestpfeiler erklettert werden konnte, was aber trotz allem keine Erstbegehung war, aber ein begeisterndes Erlebnis darstellte.
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