Am 12. Februar 2017 machte sich der erfahrene Eiskletterer Markus Hofbauer gemeinsam mit seiner Freundin Daniela und seinem Kletterpartner Flo Thamer auf den Weg ins niederösterreichische Eisklettergebiet Blue Box in den Hinteren Tormäuern. Eigentlich hatte Markus nur für den Vortag nach einem Partner gesucht, doch Flo konnte erst am Sonntag – ein spontaner Entschluss, der das Trio schließlich gemeinsam in den Kessel der Blue Box führte.
Bei Temperaturen um die –4 Grad erreichten sie das Gebiet. Schon der Zustieg zeigte die hervorragenden Eisverhältnisse, und beim Anblick der Linien bestätigte sich dieser Eindruck: Das Eis war so mächtig wie selten zuvor. Besonders die Säule des Blauen Engels präsentierte sich noch eindrucksvoller als wenige Tage zuvor, als Markus sie mit einem anderen Partner geklettert war. Die drei beschlossen, in dieser Linie einzusteigen.
Flo übernahm die Führung. Mit dem scharfen Ende des Seils und frisch ausgepackten Eisschrauben stieg Flo Thamer souverän über den Vorbau und weiter in die rechte WI6-Variante ein, während unten vom Körper gesichert wurde. Sechs Schrauben hatte Flo bereits gesetzt, als es plötzlich zu einem kaum fassbaren Ereignis kam.
Ein einziges „Knacken“. Dann gab die etwa 25 Meter hohe, rund 100 Tonnen schwere Eissäule nach. Innerhalb von Sekunden brach die gesamte Struktur unter der eigenen Schwerkraft zusammen.
Markus Hofbauer wurde von einem kühlschrankgroßen Eisblock getroffen und schwer verletzt. Als er wieder zu sich kam, sah er Flo nicht mehr über sich im Eis – sondern rund 40 Meter tiefer unter tonnenschweren Eistrümmern. Flo Thamer war beim Absturz sofort tot.
Markus kämpfte währenddessen ums Bewusstsein, ums Atmen und schließlich ums Überleben. Das Sicherungsseil hatte sich völlig durch das Gerät gezogen und zerrte mit voller Kraft an seinem Gurt; erst nach dem Durchtrennen des Seils konnte er eine Position finden, die zumindest minimal erträglich war. An ein Aufstehen oder Helfen war nicht zu denken – der Körper war zu schwer verletzt, die Situation zu aussichtslos.
Koma, Kampf und ein Wunder
Als Markus schließlich auf der Intensivstation erwachte, waren 14 Tage vergangen. Davor lagen eine schwere Lungenentzündung, über hundert Blutkonserven und ein unvorstellbarer Kampf um sein Leben. Die Diagnosen: eine gerissene Bauchaorta, zahlreiche Rippenbrüche, ein zertrümmertes Becken, Wirbelsäulenverletzungen, Darm- und Blasenrupturen, ein massives Kompartment im rechten Unterarm, Schädelhirntrauma und mehr.
Sechs Wochen Intensivstation folgten, dann weitere Wochen im Spital und eine lange Reha. Im Dezember 2017 musste sein rechter Arm amputiert werden. Erst nach über fünf Monaten konnte Markus erstmals wieder nach Hause.
Ich würde wieder in die Säule einsteigen
„Kürzlich habe ich mir die Bilder vor und nach dem Unfall erneut angesehen. Für mich gab es unter den damaligen Bedingungen keinen Anlass, die Route nicht zu klettern. Wenn diese Säule damals brechen konnte, dann kann jede Säule brechen – jederzeit. Am Ende bleibt die bittere Erkenntnis: Säulen sind unberechenbar, und selbst wenn man beim Bergsteigen alles richtig macht, kann es dennoch tödlich ausgehen. Ein Restrisiko bleibt immer bestehen.“ meint Markus.
Im Herbst 2024 sponsert Petzl Markus ein personalisierte Eisgerät seither klettert Markus wieder bis Wi4/M7
Nie wieder Körpersicherung
Die Frage, was Markus Hofbauer aus dem Unfall gelernt hat, beantwortete er, noch bevor sie jemand formulieren konnte. Seine Antwort fiel klar aus: „Nie wieder Körpersicherung am Standplatz von Mehrseillängenrouten.“
Tatsächlich gilt die Körpersicherung vielerorts als die bequemste und am häufigsten praktizierte Methode – gerade weil die Wahrscheinlichkeit, dass sie nach einem Sturz zum Problem wird, als gering eingeschätzt wird. In gut erschlossenen, eingebohrten Routen unserer Breiten sind jene Situationen, in denen die Körpersicherung zwingend nötig wäre, um den Stand zu entlasten, äußerst selten. Und selbst dann müsste sich der Sichernde deutlich mehr Selbstsicherungsseil geben, um die Sturzenergie überhaupt sinnvoll abfangen zu können.
Auch das Seilhandling spricht gegen diese Technik: Es bleibt umständlich, wenn der Sichernde direkt vom Standplatz aus arbeitet.
Warum er seine Geschichte erzählt
Für Markus ist das Schreiben Teil der Verarbeitung. Aber es ist auch ein Versuch, eine Erkenntnis weiterzugeben: Man kann in den Bergen vieles richtig machen und trotzdem trifft einen das Unberechenbare. Manche Ereignisse liegen jenseits menschlicher Kontrolle. Entscheidend sei, das Unveränderbare zu akzeptieren – und dort zu handeln, wo man etwas gestalten kann.
Die Geschichte von Markus Hofbauer und Flo Thamer zeigt, wie schmal der Grat zwischen Leidenschaft und Lebensgefahr sein kann – und wie unbeugsam der Wille, weiterzugehen.
Am 18.11. 2025 erzhält Markus Hofbauer im Österreichischen Alpenklub über seinen schweren Unfall beim Eisklettern und die Zeit danach:

Markus Hofbauer beim Eisklettern


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