Diese Linie hat meine Aufmerksamkeit erregt, seit ich die Bilder von Adam Ondras erster Begehung im Jahr 2022 gesehen habe. Wenn man an der Felswand ankommt, betrachtet man die Wand von der Seite und bemerkt, dass sie leicht wie ein Segel gebogen ist, von vorne sieht sie jedoch wie eine scheinbar glatte Platte aus, mit einem Riss der sie diagonal durchschneidet. Eine wunderschöne Linie.
Meine wahre Stärke
Ich habe im Laufe der Jahre festgestellt, dass mir das Klettern im Überhang zwar sehr viel Spaß macht, meine wahre Stärke aber Fingerkraft und technische Routen sind und so dachte ich sofort, dass ich diese Route versuchen möchte. Als ich letztes Jahr mit Klaas Willems auf Sardinien kletterte, erzählte er mir, dass er auch an der Route interessiert sei, und so vereinbarten wir, es gemeinsam zu versuchen. Als Klaas Mitte März in Arco ankam, war ich gerade von einer Reise zum Eisklettern nach Kanada zurückgekehrt und hatte drei Monate lang nicht trainieren können, weil ich mir im November die Schulter verletzt hatte. Ich habe den Winter nach meinem Geschmack zwischen Eis, Fels und Drytooling verbracht, konnte aber nur locker klettern, um meine Schulter zu schonen. Es war nicht der ideale Ausgangspunkt und wie vermutet tat ich mir anfangs schwer in der Route. Ich schaffte es kaum, die winzigen Griffe zu halten und versuchte, wenigstens die einzelnen Bewegungen zu verstehen. Der erste Teil der Route ist sehr boulderig. Der Schlüsselzug ist eine sehr weite Bewegung nach rechts, sogar leicht abwärts zu einer Kerbe, von der aus man dann zum nächsten Griff kreuzen muss.
Am Limit
Die Bewegung schien an der Grenze meiner Armspannweite und meiner Fähigkeiten zu liegen. Während Klaas die Route in nur wenigen Tagen eindrucksvoll bewältigte, machte ich weitere Versuche und die Fortschritte stellten sich schneller als gedacht ein. Am achten Tag in der Route konnte ich all die Bewegungen aneinanderreihen, die anfangs so am Limit schienen. Vor zwei Jahren habe ich Solitary Souls geklettert, auch in Arco und in derselben Schwierigkeit. Die beiden Routen könnten nicht unterschiedlicher sein: „Solitary“ ist 35 Meter lang, überhängend und erfordert Ausdauer beim Klettern an Sinter und Löchern, während „Pungitopo“ an winzigen Griffen geklettert wird und die Route kurz und intensiv ist. In den zwei Jahren zwischen diesen beiden Besteigungen hatte ich zwei Verletzungen, es gab Momente des Zweifels und aus diesem Grund bedeutet mir diese Besteigung sehr viel.
Angelika Rainer
Geboren 1986 in Meran, Südtirol
Dreifache Weltmeisterin im Eisklettern und zweifache Gesamtweltcupsiegerin
2017 klettert sie mit A Line Above The Sky als erste Frau eine Drytooling Route im Schwierigkeitsgrad D15
2023 erfüllt sie sich mit Esclatamasters den Traum einer 9a Route
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