Die Jungfrau von Norden Die Jungfrau von Norden
04 Juli 2025

Streit um die Berner Nordwand-Trilogie

Ein Disput über den neuen Speedrekord von Nicolas Hojac und Philipp Brugger durch drei Nordwände des Berner Oberlands schürt plötzlich Zweifel an der ursprünglichen Leistung von Ueli Steck und Stephan Siegrist

Normalerweise gratuliert ein gestandener Alpinist den jungen Wilden, wenn sie seinen Rekord brechen, und freut sich mit ihnen. Anders beim vor kurzem aufgestellten neuen Speedrekord an Eiger, Mönch und Jungfrau durch den Schweizer Nicolas Hojac und Österreicher Philipp Brugger. Die beiden durchsteigen Nordwände in 15 Stunden und 30 Minuten verbesserten den Rekord der Schweizer Ueli Steck und Stephan Siegrist um 9,5 Stunden. Nicolas sprach in der auch von uns Veröffentlichten Pressemeldung zum neuen Rekord noch voller Lob „Ueli und Stephan haben damals Pionierarbeit geleistet. Die ersten haben es immer am schwierigsten und vor allem war es ihre Idee“. Danach verschlechterte sich aber die Stimmung.

Erste Vorwürfe

Auch Stephan Siegrist gratulierte Nicolas, fragte dabei schon nach der gewählten Route. Einen Tag nach der Pressemeldung zum neuen Rekord schreibt Stephan Siegrist an Nicolas Sponsor, der das Projekt auch verfilmt hat, dass die neuen Rekordhalter die Zeitmessung in den Pausen gestoppt hätten, eine andere Route gewählt hätten und fordert eine diesbezüglich ehrliche Berichterstattung und eine Korrektur der ursprünglichen Pressemeldung. Stephan Siegrist und Nicolas Hojac sind auch beim selben Ausrüster unter Vertrag, weshalb dieser auch ins .cc gesetzt wird. Die Pressemitteilung wird nicht angepasst und der gemeinsame Ausrüster bittet seine Athleten, das untereinander zu klären.

Auf welcher Nordwandroute

Es kommt auch zu einem regen, uns im Detail vorlegenden Austausch zwischen Nicolas und Stephan, bei dem es insbesondere um die an der Jungfrau gewählte Route geht. Anders als von Stephan Siegrist bisher in seinem Buch, seiner Homepage und vor Nicolas‘ Begehung auch mit diesem telefonisch kommuniziert, will Stephan jetzt plötzlich damals mit Ueli Steck das Ypsilon Couloir und nicht die rechts daneben liegende Lauper Route gemacht haben. Die Lauper Route läge auch gar nicht an der Jungfrau Nordwand. Auch entfernt Stephan Siegrist eigene Fotos aus seinem Trilogie-Bericht auf seiner Website, auf denen die damalige Begehung der Lauper Route dokumentiert war und ändert den Routenamen von Lauper zu Ypsilon Couloir. Nur sein Buch, in dem er ebenfalls von der Lauper Route spricht, lässt sich im Nachhinein nicht umschreiben.

Das Problem dabei: Die Route Ypsilon Couloir gibt es in Führern nicht und Stephan zeichnet für Nicolas eine Route in ein Wandbild, die er 2001 gemeinsam mit Ralph Weber erstbegangen hat. Die nächste und übernächste Ungereimtheit: Stephan schreibt in seinem Bericht zu seiner und Ueli Stecks Begehung aus dem Jahr 2004, dass Ueli und er die Route nicht kannten, d.h. vorher nie gemacht hatten. Und Stephan schreibt dort auch, dass die Jungfrau Nordwand die leichteste aller drei Nordwände gewesen sei. Die Route auf der er sie jetzt durchstiegen haben will, ist aber mit EX wesentlich schwieriger als die Hekmaier Route an der Eiger Nordwand, die mit AS bewertet ist?

Fakten Manipulation

Neben der Veränderung des Routennamen an der Jungfrau Nordwand wurden noch von Stephan Siegrist auf seiner Website noch weitere Details der Begehung aus 2004 verändert:

Kommuniziert bis 2025 Angepasst im Jahr 2025
Zeitmessung Start: Eiger Nordwand Zeitmessung Start: Station Eigergletscher
Zeitmessung Ende: Ausstieg Jungfrau Nordwand Zeitmessung Ende: Gipfel Jungfrau
Route Jungfrau: Lauper-Route Route Jungfrau: Ypsilon-Couloir
Verpflegung Jungfraujoch: Durch Support-Team Verpflegung Jungfraujoch: Durch selbst gekochte Spaghetti

Bergung aus der Jungfrau Nordwand

Und es kommt noch Schlimmer: Denn als Beweis, dass er und Ueli Steck direkt aus dem Ypsilon Couloir direkt am niedrigeren Wengen Jungfrau Gipfel ausgestiegen seien, führt er zwei Zeugen an, die ihnen damals ein 50 Meter Seil vom Ausstieg runter gelassen haben „weil wir in Schwierigkeiten waren“. Laut Stephan Siegrist haben Ueli und er sich ins Seil eingehängt und wurden zum Ausstieg gesichert.

Rekord und Besteigung trotz Bergung?

Wenn Stephan und Ueli 2004 mit fremder Seilhilfe aus der Jungfrau Nordwand gestiegen sind, muss man ihnen eigentlich den Rekord aberkennen, denn wichtiger als die Frage, ob sie die rechte oder linke Tour an der Wand gemacht habe, ist wohl, ob sie einen Speedrekord aus eigener Kraft aufgestellt haben.

Man könnte hier entgegnen, dass es auch in der Hekmaier Route am bekanntlich Fixseile gibt, die von fast allen Bergsteigern im Hinterstoisser Quergang verwendet werden. Ein Seil-Runterlassen, weil man Schwierigkeiten ist, darf bzw. muss als bergsteiger-unethische Fremdhilfe gewertet werden. Hätten Stephan und Ueli heruntergelassene Fixseil damals erwähnt, hätte man ihren Rekord vielleicht in Frage gestellt.

Dass dieser Umstand erst nach 21 Jahren im Zusammenhang mit der verweigerten Akzeptanz einer weit besseren Leistung und der nachträglichen Veränderung der Dokumentation zum alten Rekord ans Licht kommt, gibt dem Ganzen einen unglücklichen und fahlen Beigeschmack.

Text: Andreas Jentzsch / Bergsteigen.com

Stellungnahme von Nicolas Hojac

Philipp und ich haben von Anfang an transparent kommuniziert, wie wir das Projekt angegangen sind und was wir gemacht haben. Sämtliche Details wurden offen dargelegt und es liegen zwei vollständige GPS-Tracks (Strava), sowie zahlreiche Filmaufnahmen und Fotos vor, die unsere Begehung klar dokumentieren.

Unsere Routenwahl basierte auf der damaligen Kommunikation von Stephan Siegrist und Ueli Steck, wie auch sie damals die drei klassischen Nordwandrouten gewählt hatten. Ihre Routenwahl in der Jungfrau Nordwand wurde in den 21 Jahren nie angezweifelt und nun soll diese plötzlich keine Nordwandroute mehr sein und sie haben plötzlich eine ganz andere Route geklettert, als kommuniziert und beschrieben.

Aus meiner Sicht geht es hier um puren Neid und Missgunst. Einzige Ausnahme ist der Betrug durch das Hilfsseil am Ausstieg der Jungfrau Nordwand, der nun aufgedeckt wurde.

Stellungnahme von Stephan Siegrist

Gerne gratuliere ich euch, Nicolas und Philipp, nochmals zu eurer beeindruckenden Leistung.

Fakt ist aber: 

Ueli und ich haben damals alle drei Nordwände als erste in einem Zug durchstiegen

Fakt ist allerdings auch:

Wir haben unser Ziel - das alles in einem Tag zu schaffen - nicht erreicht. Wir benötigten 25 Stunden. Das haben wir stets offen kommuniziert. Insbesondere die Jungfrau-Nordwand erwies sich als weitaus anspruchsvoller als erwartet – eine Einschätzung, die durch die Routenwahl von Nicolas und Philipp indirekt bestätigt wurde, da sie den Nordwestgrat und nicht die Nordwand gewählt haben

Fakt ist: 

Das war eine andere Zeit. Für uns ging es um Abenteuer und Spass. Wir haben das alles nicht so ernst genommen - nach unserem gescheiterten Rekordversuch sowieso. 

Fakt ist: die beiden Projekte sind nicht vergleichbar. Wenn Nicu seine Tour mit unserer vergleicht, dann vergleicht er seinen Erfolg mit unserem Misserfolg. 

Und schliesslich Fakt ist: Über all das habe ich im Vorfeld vor seiner Tour intensiv mit Niku gesprochen.

Was bleibt? Es braucht klare Regeln und Standards für Speedclimbing. Sonst wird es solche Debatten immer wieder geben.



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